„Ich gehe jetzt nicht mehr zur Schule. Ich arbeite jetzt.“ – Das hat Melvin schon im Dezember 2020 gesagt und nun war es höchste Zeit, dass wir ihn besuchen und uns einen Einblick in seinen Alltag verschaffen.

Ihr wisst, wir sind immer daran interessiert, zu erfahren, wie unsere Inklusionsbotschafter leben und arbeiten. Daher haben Hannes und sein Assistent Christoph für vergangenen Montag, den 22.02.2021, ein kleines Interview mit Melvin vereinbart, um ihn ein wenig über seinen Alltag ausfragen zu können. Und eins können wir schon einmal vorab sagen – Melvins Woche ist nicht gerade langweilig, er ist nämlich ein richtiger Schaffer!

„Montags bin ich beim Kreuthof in Heiningen. Diesen Montag habe ich Karotten gemacht – das Grünzeug weg und den Dreck. Das war ein ganzer Wagen voll. Und ich habe den Hof und neben der Halle gefegt. Und ich habe die Kühe gefüttert. Und das wars.“ (Dezember 2020)

Auch heute drei Monate später arbeitet Melvin montags auf dem Kreuthof in Heiningen von 8.30 bis 15 Uhr. Dort ist er seit September letzten Jahres als Praktikant im Rahmen seines Berufbildungsbereichs als Persönliches Budget angestellt und hat viele verschiedene Aufgaben. Mal füttert er die Kühe, hilft bei der Ernte oder bearbeitet Gemüse wie Zwiebeln oder Karotten. Ein anderes Mal hilft er beim Herrichten des Maisfutters. Auch Säuberungsarbeiten wie das Kehren des Hofes machen ihm überhaupt nichts. Im Gegenteil, Melvin macht das sehr gerne und findet seine Arbeit ziemlich abwechslungsreich. Jeden Montag fährt er voller Energie mit dem Taxi zum Kreuthof, wieder abgeholt wird er von seiner Mutter oder seinem Bruder.

Der Kreuthof hat außerdem einen Hofladen, in dem Melvin auch tätig ist, manchmal auch als Einkäufer. Dort werden Getreide, Kartoffeln und anderes Gemüse angeboten, das auf den eigenen Wiesen und Feldern angebaut wird. Wer tierische Verstärkung sucht, findet sie bei den hofeigenen Kühen und Hühnern.

Neben den zwei Chefs des Kreuthofs und dem Gärtnerin für die Arbeit im Gewächshaus gibt es noch zahlreiche Helfer wie unseren Melvin oder auch andere, die gerne mitanpacken. Bei so viel Arbeit ist Unterstützung natürlich essentiell; schließlich besteht der Hof jetzt auch schon ganze 60 Jahre und seit 31 Jahren ist er sogar biologisch.

Und wer jetzt denkt, das war es schon, der hat sich getäuscht. Melvins Woche geht nämlich direkt am nächsten Tag mit neuem Elan bei Deepview Pictures weiter.

„Am Dienstag bin ich bei Raphael. Das ist in Augsburg. Die Firma von Raphael produziert Fotos und Videos. Raphael zeigt und erklärt mir sein ganzes Equipment. Er zeigt mir zum Beispiel, wie man eine Drohne bedient mit der Fernbedienung. Ich und Raphael machen unterschiedliche Videos und Fotos. Ich lerne von ihm, wie man gute Fotos und Filme macht. Die Bilder kann man auch auf Instagram posten. Ich poste auf meinem Instagram Account auch Bilder von meiner Arbeit mit Raphael.“

An dieser Stelle auch ein kleiner Verweis auf Melvins Instagram-Account, den ihr unter „melvinvoss“ (https://www.instagram.com/melvinvoss/) findet. Dort stellt Melvin gerade seinen Berufbildungsbereich vor! So lernt er die Arbeit eines Werbefilmers kennen und ermöglicht zudem Einblicke in seinen individuellen beruflichen Weg. Vorbeischauen lohnt sich also auf jeden Fall, um tolle Tierbilder zu finden, die unser Inklusionsbotschafter mit verschiedenen Objektiven, wie einem Tele- oder einem Weitwinkelobjektiv, schießt. So kann er die Tiere auch aus der Ferne bildlich erwischen. Die schönen Entenfotos zum Beispiel sind im Rahmen der Einarbeitung in die Aufgaben bei Deepview Pictures entstanden.

 

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Manchmal wird auch Raphael zu seinem Modell. Die Arbeit macht Melvin auf jeden Fall sehr viel Spaß, wie beispielsweise letzte Woche, als er bei einem Dreh war. Dabei kann er nicht nur seiner Kreativität freien Lauf lassen, sondern sie auch online für andere sichtbar machen. Ziel seiner Arbeit bei Deepview Pictures ist dabei, ihn zum Regie- und Produktionsassistent auszubilden.

Dort ist er übrigens erst seit einem Monat, davor war er dienstags nämlich bei seiner sozialpädagogischen Begleitung Annette Wanner:

„Am Dienstag fahre ich mit dem Bus nach Zell zu Annette. Bei Annette ist es ein bisschen wie Schule. Wir lesen und schreiben. Ich habe etwas über Wildscheine gelernt, heute hat Annette etwas über Kühe vorbereitet. Oft arbeiten wir mit dem Heft „Mein Job und ich“. Da steht sehr viel drin. Zum Beispiel, dass man manchmal auch Aufgaben erledigen muss, auch wenn man keine Lust hat. Wir schreiben auch zusammen Arbeitsberichte. Bei Annette gibt es immer Apfelschnitze – bei Gabi in der Alten Post gibt´s Schnitzel mit Pommes (lecker!) – ich mag beides.

Ich mache auch Englisch. Ich lerne sehr viel. Wir kochen manchmal zusammen. Das Rezept ist dann auf Englisch. Das macht mir Spaß.“

Da Melvin seinen Berufsbildungsbereich schon vor Beendigung seiner Berufsschulpflicht begonnen hat, sind diese Schulungseinheiten ein wichtiger Bestandteil.

Die Änderung ist übrigens der Corona-Situation geschuldet, denn dadurch mussten Praktikumsstellen auf Eis gelegt und neue Ideen entwickelt werden. Zuvor war Melvin freitags bei der Schreinerei Moldaschl – wir hoffen sehr, dass dieses Praktikum wieder aufgenommen werden kann.

Aber genau das ist doch auch das Schöne am Leben, oder? Oft verändert sich der Alltag, wird aber gar nicht schlechter, sondern bietet einfach neue Erfahrungen und Chancen.

Jeden zweiten Dienstag hat Melvin außerdem noch einen zweistündigen Termin im Rahmen der Sprachfähigkeit und Kommunikationskompetenz.

„Mittwochs und freitags bin ich bei der Metallwerkstatt in Plüderhausen. Ich nehme beim Grundkurs für Metallbearbeitung teil. Ich darf an Maschinen arbeiten – ich fräse, säge und bohre. Eine Maschine heißt Kunstmann. Die Säge ist jetzt aber leider kaputt, da hat es gefunkt. Wenn es funkt, muss man aufpassen, dass kein Holz in die Nähe der Funken kommt. Und keine Gasflaschen. Und keine gefährlichen Stoffe.“

Mittlerweile arbeitet Melvin nur noch mittwochs in der Bildungswerkstatt David Hönes & Sven Olah GbR. Seine spezifischen Aufgaben haben sich allerdings nicht geändert, wobei wir natürlich hoffen, dass die kaputte Säge wieder intakt ist.

Langsam neigt sich die Arbeitswoche dem Ende, aber nicht bevor dem Donnerstag noch einmal mit richtig viel Power begegnet wird.

„Am Donnerstag bin ich im Tierpark. Ich bin bei verschiedenen Tieren. Ich bekomme immer einen Zettel, auf dem steht, was ich erledigen soll. Wenn ich es erledigt habe, mache ich einen Haken an die Aufgabe. Meistens bin ich bei den Lamas, den Hasen, den Wellensittichen und den Minischweinen. Ich miste die Gehege aus und streue sie neu ein. Bei den Hasen muss ich auch noch das Wasser frisch machen und sie füttern.“

Im Göppinger Tierpark, zu dem er mit dem Bus fährt, hat Melvin übrigens vor Beginn der Qualifizierungsmaßnahme auch schon ein Praktikum absolviert, deswegen ist er eigentlich schon ein richtiger Profi bei der Erledigung seiner Aufgaben.

Ihr seht schon, unser Inklusionsbotschafter ist nicht nur sehr fleißig, sondern auch ein richtiger Tier- und Naturliebhaber. Daher wundert es uns nicht, dass er sich noch einen Praktikumsplatz geangelt hat. Ab März wird er nämlich zusätzlich in einer Gärtnerei tätig sein. Wir hoffen sehr, dass das Praktikum stattfinden kann, denn durch Corona nehmen manche Betriebe leider keine Praktikanten mehr an. Obwohl er schon viel über Pflanzen und Pilze weiß, freut er sich, dort noch mehr darüber erfahren zu können, welche er ruhigen Gewissens essen kann und welche ungenießbar sind, denn sein besonderes Interesse für giftige Pflanzen und Tiere ist unersättlich.

Puh – bei so einem Wochenpensum ist man ja schon bei bloßem Mitlesen ganz außer Atem. Dafür ist der Freitag etwas ruhiger. Je nach dem, was gerade so ansteht, trifft sich Inklusionsbotschafter Melvin wie früher dienstags mit Annette oder erledigt andere Aufgaben im Homeoffice, bevor er dann sein wohlverdientes Wochenende genießen kann.

In allen Betriebe hat Melvin einen Anleiter oder eine Anleiterin. Diese sind dafür zuständig, Melvin in seine Tätigkeiten einzuarbeiten und ihn während seines Arbeitstages zu begleiten. Außerdem stehen sie ihm natürlich immer mit Rat und Tat zur Seite.

Melvin befindet sich momentan im ersten Qualifizierungsjahr. Dabei bekommt er die Möglichkeit, unterschiedlichste Arbeitsfelder kennenzulernen. So hat er die Chance, selbst herauszufinden wie es für ihn in der Zukunft beruflich weitergehen soll. Im zweiten Qualifizierungsjahr soll dann eine Spezialisierung erfolgen, auf die dann sein weiteres Arbeitsleben aufbaut.

Also eins muss man schon sagen: Bei so einer Arbeitswoche kann einem ja gar nicht langweilig werden oder weiß meint ihr?      Wir sind auf jeden Fall gespannt, was die Zukunft noch für Melvin bereithält, vor allem was seine berufliche Karriere angeht!

 

Autoren: Rafaela Gjini, in Zusammenarbeit mit Melvin Voss und Annette Wanner

Bilder: Hannes Hönes, Melvin Voss